Ode an den wohl schönsten Tag des Jahres

Chalandamarz ist eine farbige, lebendige und laute Tradition. Jeweils am 1. März findet dieser rätoromanische Brauch statt. Autorin Carmen Baumann kennt den Chalandamarz seit ihrer Kindheit. Für sie zählt dieser Tag bis heute zu ihren absoluten Lieblingstagen.
vonCarmen Baumann

Carmen Baumann ist Content Manager und Herzblut-Rätoromanin. Ihrer Meinung nach sollte der 1. März ein Feiertag sein. Bis es soweit ist, nimmt sie sich jeweils den Tag frei.

Meine drei Highlights des Jahres sind verteilt auf drei Monate. In chronologischer Reihenfolge sind das: Weihnachten, Geburtstag, Chalandamarz. Die ersten zwei sind selbsterklärend, letzteres dürfte bei manchen für ein Fragezeichen sorgen.
Die Bedeutung des Chalandamarz ist schnell erklärt: Chalandamarz kommt aus dem Rätoromanischen und bedeutet übersetzt «1.Tag im März». So weit, so gut.

Für alle Engadiner Kinder – und auch jene im Münstertal, Bergell, Puschlav, Misox, Oberhalbstein und Albulatal – ist dieser Tag alljährlich fixer Bestandteil des Kalenders. Während des Chalandamarz wird der Winter mit Gesang, Kuhglockengeläut und Peitschenknallen verabschiedet und der nahende Frühlingsbeginn gefeiert. Zugegeben, bis dann die wärmeren Tage wirklich im Engadin Einzug halten, dauert es noch mindestens zwei Monate. Die Tradition ist dabei von Engadiner Dorf zu Dorf etwas unterschiedlich. Bis 2022 war Chalandamarz in der Gemeinde Zuoz eine mehrheitlich männliche Tradition, erst 2023 durften auch die Mädchen and dem Volksfest teilnehmen – und kräftig mitsingen.

Im Dorf Champfèr, in dem ich aufgewachsen bin, waren Mädchen seit jeher vollumfänglich eingebunden. Ein Beispiel der Gleichstellung: Da ich in meinem Jahrgang die Älteste war, wurde mir die Ehre zuteil, die sogenannte «plumpa», die grösste Glocke, zu tragen. Oftmals eine Ehre, die nur den Jungen zugutekommt – und ganz ehrlich, ich habe es gefeiert und war sehr stolz.
Kleiner Fun Fact am Rande: Das ist dieselbe Glocke, die der bekannte Schellenursli im gleichnamigen Buch und Film sucht und dann im Maiensäss findet. Wer das Buch von Selina Chönz, mit den Illustrationen von Alois Carigiet, und den Film von Xavier Koller noch nicht kennt, unbedingt lesen beziehungsweise schauen!

Chalandamarz ist aus vielerlei Gründen einer meiner Lieblingstage. Die rätoromanische Kultur ist tief in mir verwurzelt. Ich bin stolz darauf Rätoromanin zu sein und zu einer sprachlichen Minderheit von 30'000 Sprechenden zu gehören. Chalandamarz ist ein wichtiges Kulturgut des Rätoromanischen: Ohne rätoromanisch gäbe es den Chalandamarz nicht und ohne Chalandamarz würde auch die rätoromanische Kultur nicht im gleichen Masse bestehen.

Jeder 1. März erinnert mich an jene neun Jahre, an denen ich als Schülerin aktiv am Chalandamarz teilgenommen habe. Mir ist bewusst, dass nicht jeder und jede der Tradition dieses Mass an Wohlwollen beimisst wie ich, aber für mich war und ist Chalandamarz eine Herzenssache. Am 1. März zu Vogelgezwitscher und zum sanften Bimmeln der Glocken aufzuwachen, lässt mein Herz auch noch heute höherschlagen – vergleichbar mit den ersten Schwüngen auf einer frisch präparierten Skipiste. Hinzu kommen die bunten Seidenpapierblumen, die «rösas», welche von den Kindern selbst gebastelt werden, die traditionellen blau oder roten Bauernblusen und die Engadiner Sonntagstrachten, die von den älteren Mädchen getragen werden. Diese Trachten sind mehr als nur ein massgeschneidertes Kleidungsstück, sie sind mit einzigartigen Blumenapplikationen von Hand bestickt und werden traditionellerweise von der Mutter an die Tochter weitergereicht.

Und natürlich wäre Chalandamarz ohne den Gesang nicht Chalandamarz. Meine aktive «Karriere» an diesem Brauch ist zwar bereits längst vorbei; Nach wie vor kann ich aber jedes einzelne Lied auswendig. Und ja, die Lieder lassen mich etwas sentimental werden. Und deshalb freue ich mich jedes Jahr auf den 1. März, wenn es wieder durch die Gassen hallt: «Eviva il Chalandamarz».

Zum Abschluss noch einige Informationen zum Chalandamarz 2024:

  • In St. Moritz beginnt der Chalandamarz um 7:45 Uhr. Insgesamt starten 10 Züge von verschiedenen Orten. Am besten einfach dem Glockenklang folgen.
  • Um 10:30 Uhr beginnt der Umzug mit allen Schülern und Schülerinnen vom Parkhaus Quadrellas zum Rathausplatz mit anschliessendem Gesang.
  • Um 15:45 Uhr beginnt der Umzug mit allen Schülern und Schülerinnen von der Eisarena Ludains zur Plazza Rosatsch mit anschliessendem Gesang.
  • Am Vorabend des Chalandamarz, am 29. Februar, besuchen vier Gruppen verschiedene Hotels und Restaurants. Details zum Hotelsingen gibt es in den entsprechenden Hotels und Restaurants.
  • Die Kinder der Schule Silvaplana werden um 17 Uhr im Suvretta House singen. Wer seinen Afternoon Tea entsprechend timen möchte – hier geht es zur Reservierung.
  • Die Details zum Chalandamarz in den verschiedenen Engadiner Dörfern gibt es hier zu finden.

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Chalandamarz in St. Moritz

Am 1. März wird mit Gesang und Glockengeläut der Winter feierlich vertrieben und der Frühling offiziell eingeläutet.
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