Auf architektonischer Schatzsuche im neuen Hotel Grace La Margna St. Moritz
von Carmen Baumann (Text), Agostina Schenone (Photography)
Freitag, 08. September 2023

Die historische Schatzsuche beginnt im «Living Room», der Lobby des Hotels. Auffallend sind unter anderem die grossen, denkmalgeschützten Fenster, welche den Blick auf den St. Moritzersee freigeben. Das Kernstück der Lobby ist der Kamin aus Marmor, welcher 1906 — gleichzeitig wie das Hotel — gebaut wurde. Doch weshalb ziert ein Drache den Kaminabzug? Die Antwort liefert der Bündner Kunsthistoriker Leza Dosch, der eigens für die Gemeinde St. Moritz ein Schutzkonzept zum Umbau des Hotels erarbeitet hat und bestens mit der Baugeschichte des Hotels vertraut ist. Drachen seien seit jeher ein beliebtes Motiv, erklärt der Kunsthistoriker. Im frühen 20. Jahrhundert war die Verwendung eines Drachens meist spielerisch gemeint. Davor galt es als sogenanntes Apotropäisches Zeichen; die Leute fürchteten sich vor Drachen, weshalb sie die Kreaturen an Hausfassaden anbrachten und darauf hofften, dass sie Unheil abwenden würden. Eine weitere spielerische Theorie: Der Übername der St. Moritzer war «ils draguns», rätoromanisch für «die Drachen». Da das Hotel in St. Moritz steht und der Architekt Nicolaus Hartmann selbst auch St. Moritzer war, wäre das eine plausible Theorie.
Ein weiteres Detail, welches Architekt Nicolaus Hartmann entworfen hat, sind die rotblauen Ornamente – typisch für ihn. Diese dekorativen Elemente finden sich beispielsweise auch im Verwaltungsgebäude der Rhätischen Bahn in Chur, welches auch von ihm gebaut wurde. Die Ornamente ziehen sich wie ein roter Faden durch das Hotel. Die Devise: Wer sucht, der findet.

Die Geschichte des Hotels begann damit, dass Nicolaus Hartmann die Architektur der Hotelpaläste im frühen 20. Jahrhundert in seiner Heimat so gar nicht gefiel. Er fand, sie seien unsensibel und ohne regionale Charakteristik erbaut worden.
Er konterte gekonnt auf architektonische Weise und erbaute 1906 das Hotel La Margna. Es wurde damals als Aushängeschild der Engadiner Jugendstilarchitektur angepriesen.


Dieser Heimatstil hat die Jahrzehnte überdauert und ist auch heute noch ersichtlich, beispielsweise an der Aussenfassade. Diese wurde aus Denkmalschutzgründen bei dem Umbau des Hotels nicht verändert.
Das geschichtsträchtige und historische Gebäude ist jedoch nur die eine Hälfte des neuen Boutiquehotels. Neben dem Margna-Flügel wurde der moderne Grace-Flügel angebaut. Beide Flügel entsprechen den modernen Ansprüchen der Reisenden. Historische und architektonische Details sind im Margna-Flügel nach wie vor ersichtlich und stammen aus der ursprünglichen Bauzeit des Hotels.


In einem St. Moritzer Hotel, entworfen von einem einheimischen Architekten darf etwas Bestimmtes nicht fehlen: Der heilige Sankt Mauritius, der Schutzpatron des Ortes. Der Legende nach kam Mauritius aus Nordafrika in die Schweiz. Nach einer Schlacht in Genf liess er sich in St. Moritz nieder und wurde dann zum Schutzpatron des Ortes. Im Hotel Grace La Margna ist er zwei Mal abgebildet. Im Treppenhaus des Margnaflügels und an der Nordfassade des denkmalgeschützten Hotels.

So weit so gut – und nachvollziehbar. Doch es gibt auch architektonische Details, die merkwürdig erscheinen und Fragen aufwerfen. Beispielsweise die Lüftungsfiguren und die Stuckaturen in der «Brasserie», eines von drei Restaurants im Hotel. Weshalb befindet sich eine Spinne oder eine Fliege an der Decke? Weshalb schlängelt sich eine Schlange entlang der Säule? Eine konkrete Antwort darauf gibt es nicht, doch Hartmann sei von Tieren begeistert gewesen und im frühen 20. Jahrhundert konnten es nie genug Tierdarstellungen sein, verrät Historiker Leza Dosch.
Und zum Schluss der Schatzsuche kommt die schwierigste Frage: Welche vier der acht Kronleuchter in der Bar sind original und welche sind Nachbildungen? Wer die Antwort herausfindet, bekommt vom Hotel ein Glas Champagner offeriert. (Anmerkung der Redaktion: die Autorin dieses Textes hat vergebens versucht es herauszufinden, aber vielleicht haben Sie mehr Glück.)

Abschliessend ein direkter Vergleich von früher und heute:
Jeweils in Schwarz-Weiss die Originalfotos des Hotel La Margna, farbig dargestellt das heutige Interior des Hotel Grace La Margna.




Das legendäre Kino Scala St. Moritz ist wieder geöffnet. •Das TIME Magazine hat St. Moritz in die Liste der 50 grossartigsten Orte des Jahres 2023 aufgenommen.•Im neuen Hotel Grace La Margna trifft die Moderne auf das Historische und Lifestyle auf Tradition.•Die neue Ausstellung in der St. Moritz Design Gallery zeigt Bilder aus den 1920er Jahren, die mit künstlicher Intelligenz koloriert wurden.•