Auf architektonischer Schatzsuche im neuen Hotel Grace La Margna St. Moritz

Renoviert, restauriert und modernisiert erstrahlt das geschichtsträchtige Hotel oberhalb des Bahnhofs St. Moritz in neuem Glanz. Das Hotel Grace La Margna ist die richtige Adresse für Geschichtsliebhaber, Architekturfans und moderne Reisende. Hinter jeder zweiten Ecke verbirgt sich ein historisches Detail. Eine Schatzsuche.
vonCarmen Baumann (Text), Agostina Schenone (Photography)

Die historische Schatzsuche beginnt im «Living Room», der Lobby des Hotels. Auffallend sind unter anderem die grossen, denkmalgeschützten Fenster, welche den Blick auf den St. Moritzersee freigeben. Das Kernstück der Lobby ist der Kamin aus Marmor, welcher 1906 — gleichzeitig wie das Hotel — gebaut wurde. Doch weshalb ziert ein Drache den Kaminabzug? Die Antwort liefert der Bündner Kunsthistoriker Leza Dosch, der eigens für die Gemeinde St. Moritz ein Schutzkonzept zum Umbau des Hotels erarbeitet hat und bestens mit der Baugeschichte des Hotels vertraut ist. Drachen seien seit jeher ein beliebtes Motiv, erklärt der Kunsthistoriker. Im frühen 20. Jahrhundert war die Verwendung eines Drachens meist spielerisch gemeint. Davor galt es als sogenanntes Apotropäisches Zeichen; die Leute fürchteten sich vor Drachen, weshalb sie die Kreaturen an Hausfassaden anbrachten und darauf hofften, dass sie Unheil abwenden würden. Eine weitere spielerische Theorie: Der Übername der St. Moritzer war «ils draguns», rätoromanisch für «die Drachen». Da das Hotel in St. Moritz steht und der Architekt Nicolaus Hartmann selbst auch St. Moritzer war, wäre das eine plausible Theorie.

Ein weiteres Detail, welches Architekt Nicolaus Hartmann entworfen hat, sind die rotblauen Ornamente – typisch für ihn. Diese dekorativen Elemente finden sich beispielsweise auch im Verwaltungsgebäude der Rhätischen Bahn in Chur, welches auch von ihm gebaut wurde. Die Ornamente ziehen sich wie ein roter Faden durch das Hotel. Die Devise: Wer sucht, der findet.

Die Geschichte des Hotels begann damit, dass Nicolaus Hartmann die Architektur der Hotelpaläste im frühen 20. Jahrhundert in seiner Heimat so gar nicht gefiel. Er fand, sie seien unsensibel und ohne regionale Charakteristik erbaut worden.
Er konterte gekonnt auf architektonische Weise und erbaute 1906 das Hotel La Margna. Es wurde damals als Aushängeschild der Engadiner Jugendstilarchitektur angepriesen.

Blick vom St. Moritzersee zum Hotel Palace, Grand Hotel, Hotel Carlton und Hotel La Margna, Sommer circa 1930
Rechts im Bild das Hotel La Margna, in der Mitte das Grand Hotel, daneben das Hotel Palace und dahinter das Hotel Kulm I, Sommer circa 1915

Dieser Heimatstil hat die Jahrzehnte überdauert und ist auch heute noch ersichtlich, beispielsweise an der Aussenfassade. Diese wurde aus Denkmalschutzgründen bei dem Umbau des Hotels nicht verändert.

Das geschichtsträchtige und historische Gebäude ist jedoch nur die eine Hälfte des neuen Boutiquehotels. Neben dem Margna-Flügel wurde der moderne Grace-Flügel angebaut. Beide Flügel entsprechen den modernen Ansprüchen der Reisenden. Historische und architektonische Details sind im Margna-Flügel nach wie vor ersichtlich und stammen aus der ursprünglichen Bauzeit des Hotels.

Das Hotel La Margna im Sommer, circa 1935 (Autor: Albert Steiner © 2023, Bruno Bischofberger, Meilen)
Das Hotel Grace La Margna im Sommer 2023

In einem St. Moritzer Hotel, entworfen von einem einheimischen Architekten darf etwas Bestimmtes nicht fehlen: Der heilige Sankt Mauritius, der Schutzpatron des Ortes. Der Legende nach kam Mauritius aus Nordafrika in die Schweiz. Nach einer Schlacht in Genf liess er sich in St. Moritz nieder und wurde dann zum Schutzpatron des Ortes. Im Hotel Grace La Margna ist er zwei Mal abgebildet. Im Treppenhaus des Margnaflügels und an der Nordfassade des denkmalgeschützten Hotels.

So weit so gut – und nachvollziehbar. Doch es gibt auch architektonische Details, die merkwürdig erscheinen und Fragen aufwerfen. Beispielsweise die Lüftungsfiguren und die Stuckaturen in der «Brasserie», eines von drei Restaurants im Hotel. Weshalb befindet sich eine Spinne oder eine Fliege an der Decke? Weshalb schlängelt sich eine Schlange entlang der Säule? Eine konkrete Antwort darauf gibt es nicht, doch Hartmann sei von Tieren begeistert gewesen und im frühen 20. Jahrhundert konnten es nie genug Tierdarstellungen sein, verrät Historiker Leza Dosch.

Und zum Schluss der Schatzsuche kommt die schwierigste Frage: Welche vier der acht Kronleuchter in der Bar sind original und welche sind Nachbildungen? Wer die Antwort herausfindet, bekommt vom Hotel ein Glas Champagner offeriert. (Anmerkung der Redaktion: die Autorin dieses Textes hat vergebens versucht es herauszufinden, aber vielleicht haben Sie mehr Glück.)

Abschliessend ein direkter Vergleich von früher und heute:
Jeweils in Schwarz-Weiss die Originalfotos des Hotel La Margna, farbig dargestellt das heutige Interior des Hotel Grace La Margna.

Links: Eingangstor, circa Sommer 1940 (Autor: Albert Steiner © 2023, Bruno Bischofberger, Meilen), Rechts: Eingangstor Sommer 2023
Oben: Halle des Hotel La Margna, circa 1950 (Autor: Andreas Pedrett, Quelle: Dokumentationsbibiothek St. Moritz) Unten: die heutige Lobby mit Kamin
Links: Halle des Hotel La Margna, circa Sommer 1950 (Autor: Andreas Pedrett, Quelle: Dokumentationsbibliothek St. Moritz) Rechts: die heutige Lobby mit Originalfenstern und Kronleuchter
Oben: Bar und Restaurant, circa Sommer 1950 (Autor: Andreas Pedrett, Quelle: Dokumentationsbibliothek St. Moritz) Unten: die heutige Einrichtung in der Brasserie «The Stack»
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