Race Like Her

Julia Gut hat sich mit ihrem cremefarbenen MGB GT und dem Netzwerk „Race Like Her“ einen Platz in der männerdominierten Oldtimer-Szene geschaffen. Beim British Classic Car Meeting in St. Moritz zeigt sie, wie Empowerment, Lebensfreude und Motoröl zusammenpassen.
vonAlistair MacQueen

Alistair MacQueen ist Redakteur und freier Autor mit Sitz in London. Er schreibt vor allem für Magazine aus den Bereichen Luxus-Lifestyle und Reisen. Seine Karriere begann er als Textredakteur beim BBC Top Gear Magazine, wo er standesgemäss in einem Bentley Continental GT chauffiert wurde. Sein erstes eigenes Auto? Ein grüner Land Rover Mark 1 aus dem Jahr 1966.

Es ist ein sonniger Freitagnachmittag, als wir uns mit Julia Gut unterhalten, die gerade eine Schulaufführung mit ihrer Klasse von Siebenjährigen hinter sich hat. «Ich habe die Kinder gebeten, ihr Lieblingslied auszuwählen, und jetzt durfte ich zwei Stunden am Stück ‹Seven Nation Army› von The White Stripes anhören», sagt sie mit einem leicht erschöpften Lächeln.

Als Erstklässler-Lehrerin in Zürich ist die zwanzigjährige Julia Gut nicht nur vorne im Klassenzimmer, sondern auch am Steuer und an der Spitze einer neuen Welle von weiblichen Autobegeisterten, die das traditionelle Bild von Autoliebhaberinnen, Treffen und Online-Auto-Influencerinnen neu definieren.

Im Frühling 2024 gründete Julia zusammen mit fünf Freundinnen ihren eigenen Oldtimer-Club für Frauen. Sie alle verbindet die Liebe zu klassischen Fahrzeugen und dem damit verbundenen freudigen, dynamischen Lebensstil. Julia und ihre Freundinnen posten regelmässig Bilder und Videos auf Instagram und TikTok, dokumentieren ihre Abenteuer und laden andere Frauen ein, sich ihnen anzuschliessen.

„Race Like Her“: Der Oldtimer-Club von Frauen für Frauen © Julia Gut

Zurück zum Anfang: Julia ist in Zürich aufgewachsen. Ihr Vater war begeisterter Autofan und verbrachte viel Zeit in der Garage, wo er Autos und Motorräder reparierte. Er brachte ihr bei, wie man Teile von Oldtimern flickt, die undicht sind, sich abnutzen oder kaputtgehen.

«Als erstgeborene Tochter hat mich mein Vater immer zu Autoveranstaltungen und Treffen mitgenommen. Das war unsere spezielle Vater-Tochter-Zeit. Als Teenager habe ich mich dann für Pferde und Reiten begeistert. Aber je älter ich wurde, desto mehr Zeit verbrachte ich auf AutoScout, um ein cooles Oldtimer-Auto zu finden. Genau zu dieser Zeit verkauften Freunde meines Vaters einen MGB. Er hat ihn gekauft und in den folgenden sechs Monaten liebevoll restauriert. Irgendwann hat er ihn mir dann geschenkt.»

Und genau dieses Auto fährt sie heute: einen cremefarbenen MGB GT von 1967 – «mein MG-Baby!». Mit dem Oldtimer ausgestattet, wollte Julia nur noch Gas geben, Spass haben und ihre Leidenschaft mit anderen teilen. Eine Freundin stellte sie einigen jungen Männern vor, die ihren eigenen Autoclub hatten. Julia war begeistert: «Mein Gott, es gibt andere junge Leute, die Autos genauso lieben wie ich!»

Diese Begegnung inspirierte sie, und sie begann über die offensichtliche Unterrepräsentation von Frauen in der Autoszene nachzudenken. «Also habe ich Race Like Her gegründet, weil ich eine Plattform nur für Frauen schaffen wollte.»

Der Club startete mit einer Handvoll Freundinnen, die ihre Reisen und ihre vierrädrigen Lieblinge dokumentierten. Dann brachte ein Artikel auf der Nachrichtenplattform 20 Minuten sie in die Aufmerksamkeit der Pendler an über 150 Bahnhöfen in der Schweiz. Der Durchbruch kam, als eines von Julias Videos, das ihre automobilen Streiche zeigte, 2,2 Millionen Aufrufe in den sozialen Medien erzielte. Dank weiterer Beiträge, die die Abenteuer des Clubs zeigen, wurde Julia eingeladen, mit der Luxusuhrenmarke IWC zusammenzuarbeiten und am British Classic Car Meeting 2024 im Suvretta House in St. Moritz teilzunehmen.

Julia Gut's cremefarbener MGB GT von 1967 © BCCM/Patrick Blarer

«Das war das erste grosse, coole Event, zu dem ich je eingeladen wurde. Ich wusste nicht genau, was mich erwarten würde. Ich habe meinen Vater gefragt, der vor vielen Jahren einmal mit seinem alten Aston Martin dabei war.» Gut Senior füllte Julias Kopf mit Geschichten über Glamour, atemberaubende Landschaften, Luxushotels und vor allem jede Menge Spass. Und, wie war ihr erstes Jahr?

«Ich bin mit einer Freundin hingegangen. Wir hatten für jeden Tag ein anderes Outfit und waren wirklich vorbereitet. Wir haben voll auf das Safari-Thema gesetzt. Ich hatte ein kurzes Safari-Outfit an mit richtig coolen Stiefeln. Abends trug ich einmal ein kurzes Cocktailkleid – natürlich mit Leopardenmuster. Ich hatte einfach so viel Spass! Man fühlte sich wie in einer anderen Welt, mit den Oldtimern und den Kamelen überall, es war einfach so cool.»

Fast bereit für das British Classic Car Meeting © BCCM/Pietro Martelletti

Julia Gut's «MG-Baby» erhält den letzten Schliff © BCCM/Michelle Blarer

Julia Gut im Safari Look, dem Motto des BCCM 2024 © BCCM/Davide De Martis

Julia Gut und ihr MGB GT 1967 © BCCM/Patrick Blarer

Ab auf die Strasse! © BCCM/Patrick Blarer

Safari Look on the Road © BCCM/Patrick Blarer

Fast bereit für das British Classic Car Meeting © BCCM/Pietro Martelletti

Julia Gut's «MG-Baby» erhält den letzten Schliff © BCCM/Michelle Blarer

Julia Gut im Safari Look, dem Motto des BCCM 2024 © BCCM/Davide De Martis

Julia Gut und ihr MGB GT 1967 © BCCM/Patrick Blarer

Ab auf die Strasse! © BCCM/Patrick Blarer

Safari Look on the Road © BCCM/Patrick Blarer

Fast bereit für das British Classic Car Meeting © BCCM/Pietro Martelletti

Julia Gut's «MG-Baby» erhält den letzten Schliff © BCCM/Michelle Blarer

Julia Gut im Safari Look, dem Motto des BCCM 2024 © BCCM/Davide De Martis

Julia Gut und ihr MGB GT 1967 © BCCM/Patrick Blarer

Ab auf die Strasse! © BCCM/Patrick Blarer

Safari Look on the Road © BCCM/Patrick Blarer

Passenderweise lautet das diesjährige Thema «Billionaires», wobei der Fokus auf dem Stil der späten 80er- und 90er-Jahre liegt, nicht auf der heutigen Silicon-Valley-Elite. Wie will Julia das umsetzen?

«Wir haben neulich darüber gesprochen. Natürlich werden wir uns extrem schick und glamourös kleiden, vielleicht sogar elegante Vintage-Outfits von Louis Vuitton tragen. Dann hängen wir Goldketten an die Spiegel des MG, bringen ein paar Discokugeln rund ums Auto an und setzen als Krönung richtig grosse Sonnenbrillen auf.»

Natürlich geht es beim BCCM nicht nur ums Feiern und Verkleiden – es wird auch viel gefahren. Das letzte Jahr verlief für Julia jedoch nicht ganz nach Plan. Statt eines filmreifen Auftritts erlebte sie die weniger glamouröse Realität des Oldtimer-Fahrens. Während sie am Samstag bei der Rallye durch die malerischen Kurven Italiens unterwegs war, gab ihr MG-Baby den Geist auf.

«Aus dem Motor kamen seltsame Geräusche, die sich ziemlich nach einer kaputten Kupplung anhörten. Das war schon einmal passiert, darum wusste ich, wie sich das anhört. Irgendwann machten wir einen Halt, um nachzusehen, und ein paar Typen hielten neben uns. Einer von ihnen erklärte mir in bester ‹Ich-erklär-dir-die-Welt›-Manier, dass es ganz sicher die Kupplung sei – aber das wusste ich natürlich längst. Wir fuhren noch ein Stück weiter, aber dann blieb das Auto einfach stehen, und das Kühlwasser floss aus dem Motor.»

Julias Lage verschlechterte sich. Die Panne ereignete sich an einem Samstagnachmittag auf der italienischen Seite der Grenze. Doch Schweizer Pannendienste dürfen am Wochenende die Grenze nicht überqueren. Die nächste Garage in Italien war geschlossen, also musste eine sichtlich mitgenommene Julia ihren MG zurücklassen. Nach 90 Minuten Wartezeit auf ein Taxi stand ihr eine fünfstündige Rückreise nach St. Moritz bevor – aber wenigstens schaffte sie es gerade noch rechtzeitig zum Gala-Dinner im Suvretta House.

Das «MG-Baby» hat in Italien den Geist aufgegeben © Julia Gut

Noch immer strahlend in ihrem Safari-Outfit setzte sich Julia an ihren Tisch, die Augen vom Weinen geschwollen. Sie wurde mit herzlichem Applaus, unterstützenden Worten und tröstenden Umarmungen empfangen. Später am Abend, bei den Preisverleihungen, gab es eine Überraschung: einen Spezialpreis für «das am meisten kaputte Auto».

«Ich hätte fast wieder angefangen zu weinen, weil ich diesen Preis wirklich nicht wollte. Aber ich bin aufgestanden, um ihn entgegenzunehmen, und alle waren so herzlich und mitfühlend. An einem Tisch sassen lauter Briten – so elegant und cool – und sie waren unglaublich witzig. Sie sagten in ihrem vornehmen Akzent: ‹Ach Liebling, mach dir keine Sorgen. Es ist doch nur der MG, weisst du!›»

Julia Gut erhält den Preis für «das am meisten kaputte Auto» © BCCM/Rosario Liberti

Nach dem Event wurde Julia mit ihrem geliebten MG wiedervereint – der allerdings noch sechs Monate in der Garage verbrachte, bevor er wieder auf die Strasse durfte.

Julias Auto war zwar ausser Betrieb, aber Race Like Her hat trotzdem Vollgas gegeben. Julia war weiterhin mit ihren Freundinnen unterwegs – in ihren Vintage-Jaguars, Ford Capris und Ferraris – und nahm an den Rallyes und Treffen teil, die sie so liebt. Anfang des Jahres haben wir sie gefragt, ob sie wieder mit dabei sei, und im Mai kam die Nachricht, auf die sie gewartet hatte: IWC wird Julia erneut sponsern, und das BCCM 2025 steht offiziell in ihrem Kalender!

Worauf freut sie sich am meisten? «Ich kann es kaum erwarten, so viele vertraute Gesichter wie möglich wiederzusehen und mit allen Gründern und Organisatoren zu sprechen. Dafür habe ich sonst oft nicht genug Zeit. Und natürlich freue ich mich darauf, all die grossartigen britischen Autos zu bewundern. Die sind einfach wunderschön. Diese Jaguars und Aston Martins – echte Klassiker! Mein absoluter Lieblingswagen aus Grossbritannien ist aber der Austin Healey. Oder vielleicht doch ein Aston Martin. Sie sind einfach charmant, schnell und machen Spass.»

Während sich Julia darauf vorbereitet, wieder in ihre Schulklasse mit lauter siebenjährigen «Jack Whites» zurückzukehren, fragen wir sie, was den Club jenseits von Spass und Fünf-Sterne-Hotels für sie so besonders macht.

«Ich glaube, es liegt an der positiven Resonanz, die ich seit der Gründung des Clubs erhalte, und daran, dass er Frauen eine Plattform bietet. Ich liebe es, unter Menschen zu sein, ich liebe das Autofahren, und ich brenne dafür, Frauen zu unterstützen. Ich bin einfach so glücklich mit dem, was ich tue!»

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31st British Classic Car Meeting St. Moritz

Das British Classic Car Meeting St. Moritz (BCCM) ist das stilvolle Highlight für Liebhaber klassischer Automobile aus Grossbritannien. Seit 1994 vereint es Eleganz und Klasse in der extravaganten Alpenmetropole St. Moritz.