Handmade seit 1904
Carmen Baumann und Filip Zuan sind beide im Engadin aufgewachsen. Carmen, ehemalige Journalistin und heute unsere Head of Marketing Services, und Filip, Fotograf des Fotobuchs «handmade» über den Olympia Bob Run, haben sich für das neue Jahr vorgenommen, an einer Gästebobfahrt teilzunehmen.

Die Bobbahn wird liebevoll als grösste Eiskulptur der Welt bezeichnet. Eine Würdigung an die Handwerkskunst?
Auf jeden Fall. Es ist sicherlich die längste Eisskulptur der Welt, mit einer Gesamtlänge von zwei Kilometern, inklusive Auslauf. Davon sind 1722 Meter offizielle Rennstrecke mit insgesamt 19 Kurven. Und es ist wirklich eine Handwerkskunst! Seit Beginn des Bob Runs im Jahr 1904 wird die Bahn jedes Jahr in rund dreieinhalb Wochen neu gebaut. Dabei wird vollständig auf chemische Zusätze verzichtet – die Bahn entsteht ausschliesslich durch Muskelkraft, Schnee und Wasser.
Der Bau erfolgt seit jeher durch eine eingespielte Mannschaft.
Seit Generationen können wir auf ein eingespieltes Team aus Südtirol zählen. Das Kernteam besteht aus zwölf Mann, ergänzt durch einige weitere Arbeitskräfte, die jedes Jahr wechseln. Insgesamt sind es dann 15 Personen – inklusive Koch! Dabei profitieren wir von einer beeindruckend langjährigen Erfahrung. Alfred Nischler zum Beispiel ist seit sage und schreibe 43 Saisons dabei – und kennt seinen Abschnitt, den Horse-Shoe, in- und auswendig! Die Mannschaft kommt Ende November zum Bau der Bahn und bleibt bis zum Saisonende Mitte März. Während des Baus arbeiten sie sich gemeinsam Abschnitt für Abschnitt vor. Dazu benutzen sie ein Büchlein, in dem die einzelnen Abmessungen stehen, die für die Bahn notwendig sind. Die einzelnen Punkte der Strecke werden anhand der Bäume und des Geländes vermessen und abgelesen – so entsteht die Bahn Stück für Stück. Bis auf wenige Millimeter ist sie jedes Jahr gleich.
Der Bau der Bahn ist das eine, die Instandhaltung während der Saison das andere. Wie sieht die Arbeit hier aus?
Während den 75 Betriebstagen der Saison wird die Bobbahn in Sektionen aufgeteilt. So hat jeder seinen Abschnitt. Während der Bauphase steht die Zusammenarbeit im Vordergrund, doch während der Saison wird es bei den Abschnitten durchaus territorial. Man gibt seinen Abschnitt nur ungern auf, auch nicht an freien Tagen.


Merken Profibobfahrer den Unterschied zwischen einer Kunsteisbahn und einer Natureisbahn?
Entscheidend sind die letzten 10 Zentimeter. Und hier spielt die Arbeit der Bahnmannschaft eine entscheidende Rolle! Dank unseres eingespielten und erfahrenen Teams gleicht diese Schicht einem Teppich. Wenn man dann auf der Bahn fährt, hat man das Gefühl zu schweben. Deshalb fahren die Profis hier sehr gerne. Auch wenn die Bahn einiges an Fingerspitzengefühl und Geduld erfordert.
Hast du als Geschäftsführer des Bob Run und als ehemaliger Skeletonfahrer einen Lieblingsabschnitt?
Ich finde die drei Kurven Devil’s Dyke, Nameless und Tree sehr spannend (siehe Streckenplan unten). Nameless ist zwar eine kleine, aber entscheidende Kurve. Fährt man diese Kurve gut, gelingen auch die Folgekurven. Diesen Abschnitt kann man als Fahrer wirklich geniessen. Ganz unten im schnellsten Abschnitt vor der Martineau-Kurve fährt ein 4er-Bob mit einer Geschwindigkeit von bis zu 150 km/h!
Wie oft fährst du selbst während der Saison?
Etwa 15 Mal. Ich versuche, jede Woche eine Fahrt zu machen. Aus zwei Gründen: Einerseits möchte ich natürlich wissen, wie die Bahn ist, um mich mit den Athleten austauschen zu können. Und andererseits mache ich es einfach leidenschaftlich gerne.


Welcher Abschnitt eignet sich am besten, um ein Rennen zu verfolgen?
Der Horse-Shoe und der Start. Der Horse-Shoe ist unglaublich beeindruckend. Die Profis durchfahren diesen Abschnitt in rund 1,4 Sekunden! Und beim Start ist die Choreografie entscheidend, wer steigt wann in den Bob. Und im Skeleton springt man auf den Schlitten – möglichst schnell, aber auch möglichst sanft – und es fast so, als würde man in den Handstand gehen, so elegant ist die Bewegung. Von der Zuschauerterrasse aus sieht man es am besten – und es ist am sonnigsten!
Und dann gibt es noch die Gästebobfahrten für diejenigen, die es selbst erleben wollen.
Wir haben pro Saison rund 3000 Personen, die eine Gästebobfahrt machen wollen! Meistens sind es die Gäste, die am Anfang etwas zurückhaltend sind, die es am Ende am meisten geniessen. Mit rund 135 km/h auf der einzigen Natureisbahn der Welt zu fahren, ist natürlich ein einmaliges Erlebnis – und am Ende erhält jeder ein Diplom!
Gregor Stähli leitet seit drei Jahren die Geschicke des Olympia Bob Run. Der ehemalige Skeleton-Profi kennt und schätzt die Natureisbahn seit klein auf. Bereits als Fünfjähriger durfte er den Skeleton seines Vaters an den Start schieben.

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